Der Ernst des Karfreitag und die Freude von Ostern

[…] Unter dem verlässlichen Dach der Davidschen Psalmen erlebte man vielleicht eine der urwüchsigsten Arten, wie innig und raumgreifend ein Mensch mit seinem persönlichen Gott Umgang pflegen kann. Der Schauspieler Christian Klischat vom Hans Otto Theater hatte allerlei Texte zu einer Collage geformt, in deren Mittelpunkt sein (oder ein) Ich im Proporz zum Ewigen stand. Dieses Psalmrecital berief sich auf die Luther-Übersetzung, auf Ernesto Cardenal, Hanns Dieter Hüsch und Arnold Stadler, aber auch von David inspirierte zen-buddhistische und muslimische Meister erhielten das Wort. Formal folgte diese sehr persönliche, mit ungeheuren Energien aufgeladene Darstellungsform dem Lebensweg eines Menschen von seiner „Erleuchtung“ bis in die Zeit seiner Sieche. Emotional ließ er – soll man Darsteller sagen? – nun gar nichts aus, was einen am Karfreitag im Innersten bewegen könnte: Er flehte und bat, flüsterte und schrie, raste und harrte, unbändige Freude wechselte mit bitterer Betrübnis über eigener Schwächen, er schickte die eitle, macht-gierige Welt samt aller Ämter tief in den Orkus, er lachte und weinte – alles ist unwichtig, wenn nur sein Gott bei ihm ist und zu ihm hält, wie er es verspricht. Dann ist ihm die Welt egal, dann amüsiert er sich, wenn jemand meint, die Jahreszeiten seien von selbst entstanden wie die Materie. Irgendetwas sei ohne Ihn? Dieser Mann ist von Gott angenommen an jenem Karfreitag, gibt es Erhabeneres? Das Mächtigste war jener Teil, den Klischat in die Rundkirche schrie. Hier spürte jeder sofort, was dieser vielzitierte Satz in der Bibel bedeutet und gar bewirkt, hier war die Grenze zwischen Theater und Liturgie überschritten. Alles war „echt“ […]

(PNN, 25.3.2008, Gerold Paul, Foto: Andrea Hansen)

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